Gärtnern ohne Garten – Projekt artenreiche Verkehrsinsel

Lasst euch nicht vom Titel in die Irre führen: ich habe meinen Garten noch! Aber nicht jeder hat das Glück einen Garten oder Balkon zu haben und sich am Wachsen und Gedeihen und all dem Leben zu erfreuen. Gerade in dieser Pandemie-Zeit sehnen sich viele nach mehr Natur, einfach weil es uns Menschen in der Natur gut geht und wir nachweislich entspannen. Praktischerweise es gibt auch Möglichkeiten ohne Garten zu Gärtnern. Und das geht sogar, wenn ihr kein Urban Gardening-Projekt in eurer Nähe habt.

Wie komme ich an ein Beet mitten in der Stadt? Indem ihr eine Patenschaft für eine Verkehrsinsel übernehmt!

Bei uns um die Ecke gibt es mehrere Verkehrsinseln in unterschiedlichen Größen, mal mit Baum und mal ohne. Und abgesehen von den Bäumen fand ich die recht langweilig. 2 waren mit Knallerbsensträuchern überwuchert. Aber beim Abbiegen in unsere Straße konnte ich immer sehr schlecht um die Kurve sehen. Daher habe ich mich erst mal gefreut, als die Sträucher von der Stadt entfernt wurden. Leider war die Alternative: Rasen.

Nicht sehr phantasievoll. Aber immerhin pflegeleicht. Und immer wieder wenn ich an der Ecke vorbei kam dachte ich mir, das geht doch auch anders. Mit mehr Blumen, mehr Artenvielfalt, vielleicht sogar essbar, für Alle?

Da mein Garten mittlerweile ein paar Jahre alt ist, gibt es auch hier immer wieder Stauden, die geteilt werden wollen, oder Blumen, die bei mir wie Unkraut wuchern aber zu Schade für den Kompost sind. Daher kam ich auf die Idee mit meinen Überschüssen eine der Verkehrsinseln aufzuwerten.

Vorüberlegungen: welche soll es denn sein?

Es gibt da natürlich diese sehr schöne, große, sichelförmige Insel mit 1 Baum, allerdings in sehr schattiger Lage. Die hat wirklich Potential, aber auf der anderen Seite hätte ich nie genug Pflanzen, um die einmal zu bepflanzen.

Eine andere Verkehrsinsel in der Nähe ist schön sonnig, aber wahrscheinlich total trocken im Sommer. Da käme ich mit dem gießen nicht nach.

Die nächste Kandidatin ist rund mit einem prachtvollen Baum in der Mitte und einer geräumigen Rasenfläche drum herum, aber an der komme ich nur sehr selten vorbei.

So fiel die Wahl auf die kleinste Insel bei mir um die Ecke. Ein Beet von ca. 5 m x 0,75 m in sonniger Lage an einer Straßeneinmündung. Hier komme ich oft vorbei und mit der Schubkarre sind es nur ein paar Meter bis hierhin. Da kann ich auch notfalls mal gießen und bequem vom Bürgersteig aus arbeiten.

Verkehrsinsel öffentliche Grünfläche vor der Gestaltung- ausschließlich mit Rasen bepflanzt

Ganz schön langweilig nicht wahr? Da ist noch einiges drin in Sachen Artenvielfalt.

Abstimmung mit der Stadt

Dass man hier in Solingen eine Patenschaft für Grünflächen oder genauer gesagt „Straßenbegleitgrün“ übernehmen kann, hatte ich schon mal irgendwo gelesen. Im Internet fand sich dann schnell der passende Ansprechpartner. Ich schrieb eine kurze E-Mail in der ich fragte, ob es möglich sei eine Patenschaft über die besagte Insel zu übernehmen, und dass ich diese gerne mit Stauden bepflanzen würde. Am nächsten Morgen rief mich der Mitarbeiter der Stadt zurück, wir besprachen die Details und schon hatte ich ein neues Beet! Ehrlich gesagt, hatte ich mir das komplizierter vorgestellt! 🙂

Anforderungen und Konzept: artenreich und pflegeleicht

Was fange ich also mit meinem Extrabeet an? Nun, die Idee war ja etwas für die Artenvielfalt zu tun. Und da es sich um ein sonniges Beet handelt bieten sich Nektar-reiche Stauden an. Diese bieten Lebensraum für zahlreiche Insekten und Nahrung für viele Wildbienen. Und alles andere, was klein ist und krabbelt, fühlt sich da dann auch wohl.

Und schön sein muss es natürlich. Ich stelle mir etwas vor, dass möglichst das ganze Jahr über blüht, summt und brummt und auch im Winter noch ansehnlich ist.

Dazu kommt: ich möchte kein Geld ausgeben. Also kaufe ich keine Pflanzen für das Beet, sondern nehme das was ich eh im Garten habe oder was ich getauscht bzw. geschenkt bekomme. Der Vorteil bei den Pflanzen aus meinem Garten ist, ich weiss, dass sie hier wachsen. Es gab quasi schon eine natürliche Selektion durch z.B. die hier heimischen Schnecken 😉 Was sich also so vermehrt, dass es geteilt werden kann oder zu viel ist, wächst auch ein paar Meter weiter.

Und der wichtigste Punkt: ich möchte möglichst wenig Arbeit mit dem Beet haben. Schließlich habe ich in meinem Garten schon genug zu tun. Aber dafür muss man etwas tiefer in die Permakultur-Trickkiste greifen: ich hoffe, mit einer sorgfältigen Planung die Arbeit im Rahmen zu halten. Und der Rest ist eben Versuch und Irrtum. Über die Jahre werden ich sehen, was an meinem Standort wirklich pflegeleicht ist.

Zu meinen Anforderungen kommen natürlich noch die der Stadt und der Anwohner. Beide möchten, dass das öffentliche Grün möglichst ordentlich aussieht. Und im Fall meiner Verkehrsinsel darf der Bewuchs nicht zu hoch sein, damit man beim Abbiegen gute Sicht hat.

Kleine Standortanalyse

Also die Insel bekommt morgens und mittags volle Sonne, dann wird sie von den Häusern und den Bäumen in der Nachbarschaft beschattet.

Hier in Solingen regnet es immer echt viel, also gehe ich davon aus, dass die recht große Insel nicht sofort austrocknet. Ich kann mich auch nicht erinnern, dass das Gras hier komplett braun war in den letzten Sommern.

Zum Boden: der sah mir für hiesige Verhältnisse recht lehmig aus. Aber immer noch ein anständiger Mutterboden. Also etwas schwer, aber durchaus mit Potential.

Zum sozialen Umfeld: yippieh! Nur 1 Hundehaufen auf der Rasenfläche und ein wenig Plastikmüll den der Wind hier abgelegt hat. Das bewerte ich schon mal als sauber.

Vorgehen bei der Bepflanzung

Die Stadt hat mir angeboten, den Boden einmal komplett auszutauschen, damit ich ihn bepflanzen kann, aber das habe ich abgelehnt. Wozu die Arbeit? Das ist doch unnütz. Dann lieber mit dem arbeiten, was da ist: wenn der Boden „nichts taugt“ gedeihen dort wahrscheinlich genau die Wildkräuter, die überall sonst durch Überdüngung verdrängt werden. Und die die Wildbienen & Co so lieben.

Außerdem wurde mir angeboten den Rasen zu entfernen. Aber auch das habe ich abgelehnt. Wenn das ganze Beet nämlich nur aus blanker Erde bestehen würde müsste ich es auch gleich wieder komplett bepflanzen. So kann ich einfach in meinem Tempo ein Stück Rasen abstechen und durch Blumen ersetzen. Ich habe einfach angefangen kleine, runde Inseln mit ein paar Pflanzen anzulegen, damit es „ordentlich“ aussieht.

Fingerhut Zitronenthymian und Hasenglöckchen

Hier habe ich die Grassoden kreisförmig ausgestochen und mit Fingerhut, Zitronenthymian und Hasenglöckchen bepflanzt.

Umgedrehte Grassoden bepflanzt mit Vergissmeinnich Oregano und Zimbelkraut

Und hier sind die Grassoden umgedreht gelandet: bepflanzt mit Vergissmeinnicht, Oregano und Zimbelkraut.

Die Idee bei meinen Beet im Beet-Inseln war, dass ich immer ein strukturgebendes Element in der Mitte habe und dann zum Rand hin niedriger werde. Und jede Pflanzeninsel hat andere Arten, damit immer irgendetwas blüht. Später kommen dann noch andere Pflanzen drum herum.

Das Versuchsziel

Ich möchte an dieser Verkehrsinsel testen, wie ich eine möglichst pflegeleichte Bepflanzung hin bekomme, die hier bei uns wächst und immer gut aussieht. Das Ziel ist wirklich, nur 2-3x im Jahr irgendwas zu schnippeln, wenn sich das System einmal etabliert hat.

Daher habe ich versucht Pflanzen mit folgenden Eigenschaften zu wählen:

  • lange Blütezeit
  • ich muss keine Verblühten abmachen/schneiden (also eher Blütenblätter, die von alleine abfallen etc.)
  • die Samenstände sehen auch gut aus, so dass sie länger stehen bleiben können
  • es vermehrt sich selbst (Aussahen, Ausläufer etc.)
  • trockenheitstolerant
  • eher luftig locker als hoher, undurchdringlicher Dschungel
  • auch im Winter ansehnlich

Wenn mein Experiment klappt, und niemand anderes schneller ist, kann ich dann nach und nach andere Verkehrsinseln aufwerten.

Meine Versuchspflanzenliste

Beet im Beet Nr. 1

  • eine Doppelreihe aus Schneeglöckchen und Vergissmeinnich. Die Idee ist, dass erst die Schneeglöckchen blühen und dann von den Vergissmeinnicht überwuchert werden. Dann können sich die Schneeglöckchen in Ruhe aussamen.
  • Kriechender Günsel
  • Eine Edelmargerite. Passt zwar nicht ganz ins Konzept, war aber gerade da
Ein Saum aus Schneeglöckchen und Vergissmeinnich und kriechender Günsel und Edelmargerite

Und hier mein Prunkstück: das sieht doch fast so aus, wie sich der gute Bürger einen ordentlichen Garten vorstellt 😉

Beet im Beet Nr. 2

  • Fingerhut
  • Zitronenthymian
  • Hasenglöckchen

Beet im Beet Nr. 3

  • Oregano
  • Vergissmeinnicht
  • Zimbelkraut
Weiterhin geplant sind:
Als Strukturelement:
  • Palmlilie
  • Blaue Kugeldistel
  • Königskerze
  • Herbstanemone
  • Akelei
  • Lavendel
  • Salbei
  • Phlox
Als blühende Gründüngung:
  • Phacelia
  • Inkarnatsklee
  • blauer Lein
  • Rucola
  • Jungfer im Grünen

Fazit

Es macht wirklich Spaß, sich mal über eine ganz andere Aufgabenstellung Gedanken zu machen. In meinem Garten geht die meiste Energie in Obst und Gemüse und die Blühpflanzen stehen irgendwo dazwischen. Mit der Verkehrsinsel für die Artenvielfalt kommt gleich eine andere Art des Gärtnern dazu. Mit den anderen Zielen ergibt sich eben auch ein ganz anderes Design.

Mein Tipp für euch: schaut doch mal, ob auch bei euch in der Gegend ein potentielles Beet zu Experimenten einlädt. Und auch wenn ihr keinen Garten und folglich keine Pflanzen übrig habt, könnt ihr einfach eine Wiesenblumen-Mischung oder Ähnliches aussäen. Da habt ihr was davon und die Natur ebenso. Also, ran ans öffentliche Grün!

Ich werde das Jahr über berichten, wie sich die Insel entwickelt 🙂

 

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