Wildobsthecke Teil 2: die Planung – Ist-Situation und Anforderungen (Funktionen und Elemente)

Bei der Planung mache ich mir als erstes, bevor es an die konkrete Gehölzauswahl geht, Gedanken über das Ziel meines Projekts. Dazu eignet sich die Methode „Funktionen und Elemente“ hervorragend.

Erklärung der Methode Funktionen und Elemente

Funktionen und Elemente ist eine klassische Permakultur-Methode. Sie dient dazu, ein System zu designen, das resilient reagiert.

Exkurs: Was ist Resilienz?

Das ist in der Ökologie die Fähigkeit eines Ökosystems, wie dies mit Veränderungen umgeht ohne seine grundlegende Funktion zu verändern. Bedeutet: Wenn sich für einen Wald grundlegende Umweltfaktoren wie Niederschlag und Wind ändern, dann reagiert der resiliente Wald z.B. dadurch dass bestimmte Baumarten umfallen und dafür andere nachwachsen. So bleibt der Wald als ganzes bestehen, auch wenn er anders ist als vorher. Das Gegenteil wäre z.B. eine Fichten-Monokultur. Wenn diese von einem Sturm oder zu großer Trockenheit erwischt wird, sterben alle Bäume auf einmal ab und es bildet sich ein ganz anderes Ökosystem wie z.B. eine Brache mit Gräsern, Kräutern und einigen schnell wachsenden Pionierpflanzen wie z.B. Birken. Das ist dann kein Wald mehr. Das System hat sich verändert und hatte folglich eine wesentlich geringere Widerstandkraft.

Um ein stabiles, widerstandsfähiges Ökosystem zu designen, ist der Ansatz der Funktionen-Elemente-Methode, dass jede Funktion von mehreren Elementen erbracht wird, und jedes Element mehrere Funktionen hat. So weit zur Theorie. In der Praxis ist das immer etwas schwieriger.

Anwendung Funktionen und Elemente

Als erstes habe ich die Funktionen meines Ökosystems Hecke gesammelt:

Funktion 1: Sichtschutz

Das Schöne an unserem Haus ist, dass es mitten im Wohngebiet liegt, aber wenn wir aus dem Fenster sehen, sehen wir nur Bäume. So war es zumindest vor dem Borkenkäfer. Jetzt ist da auf einmal ein unschönes Hochhaus zu sehen und diverse Häuser auf dem Hang gegenüber. Da war mir das dauerhafte Grün der Fichten doch lieber…

Und genau das fehlt jetzt: ein ganzjähriger Sichtschutz, der so hoch ist, dass auch wieder das Hochhaus dahinter verschwindet. An Hand der alten Bäume und dem Blick aus dem höchsten Fenster lässt sich schnell ermitteln wie hoch der Sichtschutz werden sollte: 15 m.

Diesen Vorteil hatten die Fichten: sie sind wintergrün, blickdicht und boten einen lückenlosen Sichtschutz bis in 10-15 m Höhe. Da können ‘normale’ Hecken nicht so leicht mithalten.

15 m hohe Fichtenhecke als Sichtschutz

Vorher: der Garten mit intaktem Sichtschutz aus Fichten

Die Lücke in der Sichtschutzhecke gibt den Blick auf ein Hochhaus frei

Nachher: die Lücke im Sichtschutz

Funktion 2: durchlässiger Schatten

Der Nachteil an Fichten ist, dass sie eine totalen Schatten werfen. In einem Fichtenwald ist es stockfinster, da wächst nichts mehr. Andere Nadelbäume wie z.B. eine Lärche oder Waldkiefer oder viele Laubbäume haben einen durchlässigen, lichten Schatten, so dass dort auch noch andere Pflanzen wie z.B. Blaubeeren wachsen können.

Wenn ich die Wahl habe, ziehe ich den lichten Schatten immer vor. Das ist ein viel angenehmeres Licht und es wächst halt noch etwas da drunter. Für meinen Garten würde das bedeuten, dass die Wiese mehr Licht bekommt und damit der Bereich in dem nur noch Moos wächst kleiner werden dürfte. Da freut sich die Artenvielfalt.

Funktion 3: Nutzholzernte und Kaminholzgewinnung

Unter Nutzholz verstehe ich alles was man so als Holz zum Bauen gebrauchen kann, also z.B. Pfähle, Bohnenstangen, Zweige für Flechtzäune, etc. Da pickt man sich einfach die besten Stücke raus.

Kaminholz ist bei mir alles was dicker als mein Daumen ist. Das macht die Holzgewinnung sehr viel schwieriger, als einfach nur 30 cm Buchenstämme zu spalten. Es ist nämlich richtig viel Arbeit die dünnen Zweige in die passende Länge zu zerstückeln. Am Ende hat man nach viel Arbeit nur einen winzigen Haufen. Aber dafür ist es sinnvoll, denn die schönen Buchenstämme in unseren Wäldern sind eigentlich viel zu schade, um im Kamin zu landen. Aus den Ästen dagegen kann man nicht mehr so viel anstellen. Und das Spalten ist überflüssig, wenn die gleich in der passenden Dicke geerntet werden.

Meine Idee ist, dass die Hecke zum Teil mit schnell wachsenden Laubhölzern durchsetzt ist, die auf den Stock gesetzt oder gekappt werden können. Das Vorbild ist quasi eine Niederwald-Wirtschaft. Dabei werden bestimmte rückschnittverträgliche Baumarten gepflanzt und nach 10-30 Jahren geerntet.

Exkurs: Wie funktioniert ein Niederwald?

Ernten heisst hier dass Stämme mit der passenden Dicke auf z.B. 50 cm Höhe gekappt werden. Im nächsten Jahr treibt der unberührte Wurzelstock dann erneut aus und der Baum ist natürlich wesentlich kräftiger als ein neu gepflanzter Sämling. Geeignete Arten sind hier z.B. Hainbuche oder Feldahorn und noch einige andere.

Was ist bei der Kombination Niederwald – Hecke zu beachten?

Bei den Fichten habe ich es ja schon gesehen: Wenn die langen Dinger direkt am Zaun stehen, wird das Fällen mit der Zeit immer komplizierter. Es macht also Sinn die Niederwald-Bäume so zu pflanzen, dass sie leicht gefällt werden können. Das wäre dann eher die Seite der Wiese und nicht zur Grundstücksgrenze hin.

Funktion 4: Nahrung und Futtersystem

Natürlich möchte ich von der Wildobsthecke auch was ernten. Mir fehlt z.B. noch ein Birnenbaum. Da die gerne mal was größer werden, also eher in die Höhe gehen als in die Breite, wie beim Apfelbaum hatte ich die im Waldgarten nicht vorgesehen. In der Wildobsthecke würde ein hoher schmaler Baum aber gut passen. Sowohl was den Sichtschutz angeht, wie auch den Schatten (der dann auf die Wiese fällt wo er nicht so sehr stört, wie in anderen Teilen des Gartens).

Auch andere Arten wie z.B. Sanddorn und Hagebutte passen besser in die Hecke: da bleibt man nicht so leicht an den Dornen hängen, wie im Waldgarten. Vielleicht sollte ich auch meine Stachelbeere umsiedeln?

Und dann hab ich ja immer noch den Plan irgendwann einmal Hühner anzuschaffen. Da macht es Sinn, sich vorher schon mal Gedanken zum Hühnerfuttersystem zu machen.

Exkurs: Die Idee hinter dem Hühnerfuttersystem

Überlegen wir einmal wie das Huhn ursprünglich gelebt hat: es war ein Waldrandtier, das sich sein Futter am Boden selbst gesucht hat. Dieses Futter war vielfältig und hatte mit dem klassischen Geflügelfutter aus dem Landhandel wenig gemein. Im Wald wächst in der Regel nämlich weder Soja noch Palmöl und auch Getreide nur in Maßen. Statt dessen gibt es dort Würmer, Käfer, Larven, heruntergefallene Beeren und Früchte, Gräser, Kräuter usw.

Bei einem Hühnerfuttersystem wird für die Hühner ein Lebensraum geschaffen, der genau diese Futterquellen enthält. Also eine abwechslungsreiche Wildobsthecke mit einem gesunden, Wurm-reichen Boden und vielfältigen Insekten. Wenn das Hühnerfutter dann automatisch im Auslauf wächst bzw. vom Baum in diesen fällt, ist das Huhn glücklich und der Faule Gärtner erst recht. 🙂

Weitere Funktionen: Bienenweide, Biotop und Schönheit

Diese Funktionen lassen sich meist prima miteinander verbinden. Wird zum Beispiel darauf geachtet, dass einen Großteil des Jahres etwas in der Wildobsthecke blüht, das Insekten Nahrung bietet, erfreue ich mich am Anblick und die Bienen am Nektar. Und schon habe ich ein vielfältiges Biotop geschaffen.


Hier finden sich alle Artikel zur Wildobst- und Nutzholzhecke.

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