Eigenes Saatgut gewinnen – eigene Sorte vs. Sortenrein vermehren

Das Thema Saatgutgewinnung ist extrem spannend, denn es lockt mit eigenem Saatgut, das perfekt an den Standort angepasst ist, und das zum Nulltarif. Aber auf der anderen Seite ist es echt schwierig, die Saatgutgewinnung selbst in die Hand zu nehmen.

Das wurde mir vor ein paar Tagen bewusst, als ich gerade meine handverlesenen Zuckererbsensamen vom letzten Jahr zur Hälfte ausgesäht hatte.

Rückblick: Saatgutgewinnung im Jahr 2018

2018 sind meine normalen Erbsen leider überhaupt nichts geworden. Da ist so gut wie nichts aufgelaufen. Aber die Zuckererbsen, die waren großartig. 2 Sorten waren ausgesäht worden und von den ersten Erbsenschoten habe ich Saatgut gewonnen. Praktischerweise blühte die Sorte, die mir besser gefiel als erstes, so dass eine Kreuzung mit der 2. Sorte ausgeschlossen war.

Ich hatte also 2018 das Glück eine bestehende Sorte sortenrein zu vermehren.

Aussaat 2019: Chaos pur: 3 Erbsen und 2 Zuckererbsen alle nebeneinander

Dieses Jahr war ich fleissig und habe diverse Erbsensorten ausgesäht. Bei der letzen Sorte, der sortenreinen Zuckererbse von 2018 fiel es mir beim Aussähen wie Schuppen von den Augen: in meinem Garten wachsen jetzt 5 Erbsensorten, die sich munter miteinander kreuzen werden. Na prima 🙁

Junge Zuckererbesen die mit Fichtenreisig vor Vögeln geschützt sind

Das sind sie die Auserwählten. Bei Erbsen lege ich nach dem Aussähen übrigens immer ein paar alte, verzweigte Fichtenzweige ohne Nadeln drüber. So kommen die Tauben nicht auf die Idee die frisch gekeimten Erbsen wieder aus der Erde zu picken. Jetzt, bei dieser Größe, können diese wieder entfernt werden.

Wenn ich dieses Jahr Erbsensaatgut gewinnen will, habe ich keine Ahnung, welche Eigenschaften da drin stecken könnten. Und damit wären wir bei der eher philosophischen Frage:

Was ist eigentlich das Ziel meiner Saatgutgewinnung?

Möglichkeit 1: die eigene Sorte

Bei der Zucht einer eigenen Sorte ist es prinzipiell egal, welche oder wie viele Elternsorten da mitgemischt haben. Denn wenn Saatgut immer wieder am gleichen Standort vermehrt wird, entsteht nach ca. 20 Jahren eine sehr gut an den Standort angepasste Sorte. Das ist ein ganz klarer Vorteil.

Dazu kommt die züchterische oder auch selektive Arbeit: ich entscheide, welche Eigenschaften ich haben und weiter vermehren will. Also ob die Erbse hoch oder niedrig wächst, oder wie groß die Schoten sind etc.

Das Problem ist hierbei, das die 5 Sorten die aktuell im Garten stehen grundverschieden sind: die Zuckererbsen könnten sich mit Pal- und Markerbsen kreuzen und dann kommt im schlimmsten Fall eine Erbse heraus, bei der ich weder die Schoten noch die Körner sinnvoll nutzen kann, da die Körner z.B. zu klein und die Schoten zu zäh sind.

Erbsen sind zwar überwiegend selbstbefruchtend, aber gelegentlich ist eben doch eine Biene schneller. Besonders wenn die Sorten direkt nebeneinander stehen.

Möglichkeit 2: Sortenreine Vermehrung

Bei der Sortenreinen Vermehrung wähle ich eine Sorte aus und nehme nur Saatgut von Pflanzen, die sich definitiv nicht mit anderen Sorten gekreuzt haben. Dies lässt sich ausschließen, indem z.B. zeitlich versetzt gepflanzt wird und eben nur 1-2 Sorten pro Jahr ausgesäht werden, oder je nach Art reichen entsprechende Abstände. Gut, ich kann auch einzelne Blüten abdecken und per Hand bestäuben, aber das ist mir zu viel Arbeit.

Das Problem bei diesem Ansatz ist: ich kann nicht ständig neue Sorten ausprobieren und alle paar Jahre die Sorte wechseln, denn dann wäre ja wieder die ganze bisherige Züchtung umsonst gewesen. Dieser Ansatz ist also eher zu empfehlen, wenn man schon eine Lieblingssorte hat, die unbedingt erhalten werden soll.

Was kann ich tun, um die Saatgutgewinnung zu optimieren?

Die Sorten, die Saatgut bringen sollen müssen auf jeden Fall in der Anbauplanung berücksichtigt werden. Also welche Sorte soll wann vermehrt werden und welche anderen Kulturen sind dadurch ausgeschlossen.

Bei einigen Arten reichen auch entsprechende Abstände in einem abwechslungsreichen, also Blütenreichen Garten aus. Also z.B. 10-15m Abstand zwischen 2 Erbsensorten. Damit würde ich 2 Sorten im aktuellen Garten unter kriegen. Für mehr wäre zwar Platz, aber in entsprechender Entfernung sind weder Beete angelegt, noch habe ich da guten Boden oder ausreichend Sonnenschein.

Ich werden noch mal überdenken, ob ich nicht speziell für die Saatgutgewinnung extra Beete anlege, die vom restlichen Garten entfernt sind.

Die Konzentration auf einige Züchtungsprojekte wäre auch so ein Punkt. Wenn Saatgutgewinnung richtig betrieben wird, muss eine gewisse Anzahl an Pflanzen angebaut werden. Da scheiden schon mal viele Sorten aus, da ich nicht mal eben 20 Zucchinipflanzen im Garten gebrauchen kann.

Bei Erbsen und Bohnen ist da etwas anderes da ich diese in größeren Mengen anpflanze. Dadurch ist dann genug Material für die Auslese vorhanden. Und der Profi erntet nicht unbedingt von den Saatgutpflanzen, damit z.B. bei den Bohnen die gesamte Kraft in die Frucht geht. Werden diese nicht beerntet, bilden sich aber auch wieder weniger Früchte.

Ich werde mir also noch mal ganz in Ruhe Gedanken machen, welche Sorten ich nach welcher der beiden Strategien oben vermehren will. Da hängt eben so einiges dran.

Einen Ausweg bietet natürlich noch die Zusammenarbeit mit anderen Gärtnern. Wenn man sich nämlich lokal zusammen tut und jeder einen Teil des Saatguts produziert und dann mit den anderen tauscht, kommen auch wieder mehr “eigene” Sorten zusammen.

1 thought on “Eigenes Saatgut gewinnen – eigene Sorte vs. Sortenrein vermehren

  1. Jürgen

    Liebe Silke,

    es freut mich doch sehr, dass sich so langsam mehr Menschen dafür interessieren, eigenes Saatgut zu gewinnen.

    Du solltest es Dir aber nicht schwerer machen als nötig:
    Bei Selbstbefruchtern ist die “Fremdbefruchtung” so gut wie kein Problem – und wenn sich doch einmal etwas eingekreuzt hat, siehst Du das der Pflanze meistens an, die aus dem “Kreuzungssamen” entstanden ist; sie sieht anders aus und hat andere Eigenschaften als die ursprüngliche Sorte. Von dieser Pflanze nimmst Du dann keine Samen, es sei denn Du möchtest aus der Kreuzung im Laufe der Jahre eine neue, eigene Sorte selektieren.

    Bei Fremdbefruchtern brauchst Du auch nicht unbedingt 20 Pflanzen; es reichen zumeist zwei (Zuckini, Gurke, Kürbis, Melone, Rote Bete, Mangold etc.). Dann ist es allerdings sinnvoll, alle zwei, drei Jahre eine Pflanze von eine*r anderen Gärtner*in zuzusetzen, damit der “Gen-Pool aufgefrischt” wird. Bei Möhren, Zwiebeln oder Radieschen ist es ja nicht so schwierig, 20 Pflanzen gemeinsam blühen zu lassen.

    Vermischungen von Sorten ist nur in den Fällen ein Problem, in denen die Sorten einen anderen Verwendungszweck haben (Zuckerebsen mit Markerbsen, Weißkohl mit Rosenkohl, Trockenbohne mit Grüner Bohne); zwei unterschiedliche Zwiebel-, Zuckererbsen- oder Möhrensorten dürfen sich mischen; das Ergebnis kann nur interessant sein, aber immer brauchbar.

    Viele Grüße
    Jürgen

    Reply

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.

*